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Von Hauptgegnern und Lieblingsfeinden
8. November 2024Friedrich Merz, der brandneue Hoffnungsträger der CDU und der CSU, hat vor einiger Zeit geäußert, dass die Grünen der Hauptgegner der Union seien. Das Echo war empört wie immer. Wie könne man denn sowas sagen? Die Grünen seien ja sowieso die beste Partei überhaupt. Kritik an ihnen liegt irgendwo zwischen Majestätsbeleidigung und Apostasie. Und für jeden Demokraten müsse freilich ausschließlich die AfD der Hauptgegner sein.
In der Tat ist es aber kein gutes Zeichen, dass Herr Merz die Grünen zum Hauptgegner auserkoren hat. Nur aus ganz anderen Gründen als aus denjenigen, die die zitierten Berufsbeleidigten angeführt haben.
Wer einen politischen „Hauptgegner“ auswählt, der meint damit in aller Regel keine Partei, die ihm völlig fremd ist. Der Hauptgegner ist wahlarithmetisch zu sehen: Von ihm will man möglichst viele Stimmen zu sich herüberziehen. Und das funktioniert natürlich nur bei einer gewissen politischen Nähe.
Darum wäre zum Beispiel das aktuelle Wagenknecht-Bündnis nie der erklärte Hauptgegner der FDP. Die Parteien haben ganz offensichtlich so wenig miteinander zu tun, dass sie sich ihre Gegnerschaft nicht feierlich erklären müssen.
Wenn Herr Merz nun die Grünen zu seinem Hauptgegner hochstilisiert, dann sieht er dort offenbar ein erhebliches Wählerpotential für die Union. Und wie kann er diese (zukünftig vormals grünen) Wähler nun für sich gewinnen? Bestimmt nicht, indem er ihnen eine Abkehr von den Idealen und Positionen der Grünen verspricht. Ganz sicher nicht, indem er ihnen ihre politischen Irrtümer argumentativ vor Augen führt.
Nein, er wird ihnen vielmehr ein aus ihrer (zukünftig vormals grünen) Sicht möglichst attraktives Angebot machen. Er muss darlegen, dass er der bessere Grüne ist. Und weil es bei den Grünen natürlich Vorbehalte gegen Menschen wie ihn gibt, die einen Beruf ausgeübt und dort auch respektablen Erfolg vorzuweisen haben, wird er dafür ganz erheblich in Vorleistung gehen müssen.
Habe ich nun in einen vielleicht unbedachten Satz zu viel hineininterpretiert? Das mag sein. Aber diese eine Ankündigung steht in einer Reihe mit anderen Ankündigungen, alleine aus diesem Jahr, die weit weniger verklausuliert und viel grünenfreundlicher sind: Im Februar bezeichnete er eine schwarz-grüne Regierung als Option. Im August verbat er sich Kritik an den Grünen und an Koalitionen mit den Grünen. Im September sah er eine Friedrich Merz mag wie der Messias für durch die Merkel-Jahre gebeutelte CDU/CSU-Kernwähler wirken. Tatsächlich wird aber auch er für eine weitere Vergrünung der einstigen Konservativen stehen.