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Politik muss nicht besser zuhören, sie muss besser arbeiten (Blog)
4. November 2019Nach dem letzten Wahlsonntag, an dem ein deutschnationaler Rechtsaußen mit der Rhetorikeines hinkenden Germanisten aus dem Rheinland in Thüringen einen beachtlichen Wahlerfolg einfahren konnte, verfallengroße Teile der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit in Ratlosigkeit: „Man habe doch in den letzten Monaten wirklich nichts unversucht gelassen, so viel zugehört (!),Verständnis gezeigt und manchmal sogar Mitarbeiter aus den heimeligen Berliner Redaktionsstuben und Parteigeschäftsstellen gescheucht, damit diese den auf dem unwirtlichen Land Lebenden etwas Aufmerksamkeit schenken. Und dann danken sie es uns mit einer Stimme für diesen alternativen Geschichtslehrer.“
Bei allem berechtigten Entsetzen über den Erfolg der Deutschnationalen frage ich mich als Bürger (aber auch als Leser)in solchen Momenten: Als was wollen sich uns Politik und Medien eigentlich andienen: Als Seelsorger? Als Psychotherapeuten? Wollen sie uns kollektiv auf die Couch legen?
Offensichtlich haben wir es hier mit einem Missverständnis zu tun, das es auszuräumen gilt: Die Menschen, die außerhalb der Ballungszentren und Metropolen leben, brauchen niemanden, der ihnen„zuhört“. Für so etwas haben wir Pfarrer, Vereinsleben, Stammtische und Familien. Die Menschen brauchen eine Politik, die sich vor Ort auskennt, die sie und ihre Probleme versteht, die subsidiär Lösungen entwickelt und endlich damit anfängt, sie in die Tat umzusetzen.
Denn wer sich den pädagogischen Gestus der diskursiven Eliten spart und den Wählerinnen und Wählern auf Augenhöhe begegnet, der weiß, was ihnen an die Nieren geht.Das beschränkt sich nämlich keineswegs auf die bis heute ungelöste Migrationsthematik, sondern betrifft auch Fragen wie: Darf ich mit meinem Diesel nächstes Jahr noch in die Stadt? Wo bekomme ich Medikamente her, wenn die Apotheke am Ort zumacht? Wer wird mein neuer Hausarzt, wenn die Dorfpraxis schließt?Wo findet eigentlich das nächste Vereinsfest statt, wenn der Wirt aufhört? Wie schaffen wir es in der Energiewende die Schönheit unserer Landschaft zu bewahren?
Und nur wenn darauf Antworten gefunden werden, die auch die Wähler auf dem Land zufriedenstellen, werden diese aufhören ihre Stimme aus Protest offensichtlich ungeeigneten Parteien und Personen zu schenken. Auf Therapiegespräche und pädagogische Betreuung hingegen können sie verzichten.