Aktuelles
Funino: Spiegel einer spaßorientierten Erziehungskultur
16. April 2025Kennen Sie Funino? Funino ist eine Art Fußball. Es setzt sich aus dem englischen Spaß und dem spanischen Kind zusammen, also im Grunde Funiño, gesprochen eigentlich Faninjo.
Man spielt es meist mit drei gegen drei Kindern und vier Toren auf einem etwas mehr als tennisplatzgroßen Feld. Wenn eine Mannschaft zu sehr in Rückstand gerät, darf sie einen zusätzlichen Spieler einsetzen. Die Idee dahinter ist im Wesentlichen, dass es viele Ballkontakte gibt, möglichst häufig Tore fallen sollen, daher jeder früher oder später einen Treffer erzielt und am Ende irgendwie alle gewonnen haben.
In der Praxis sieht es aber so aus, dass es (wie meist in den ersten Altersgruppen) ein Spiel „Haufen gegen Haufen“ ist, bei dem dann irgendwann der Ball aus dem Gewühl herausrollt.
Oder es gibt einen technisch überlegenen Spieler, der sich an der eigenen Grundlinie den Ball schnappt, alleine an den hilflos zuschauenden Mit- und Gegenspielern vorbei quer über das gesamte Feld rennt und mühelos ein Tor schießt. Um das zu vermeiden, muss teilweise wenigstens ein Pass gespielt werden. Dann darf ein Teamkamerad den Ball kurz antippen, bevor der technisch überlegene Spieler alleine an den hilflos zuschauenden Mit- und Gegenspielern vorbei quer über das gesamte Feld rennt und mühelos ein Tor schießt.
Einen Schiedsrichter gibt es normalerweise nicht, denn die Kinder sollen sich selber über die Regeln einigen. Das wiederum führt gerne dazu, dass derjenige den Einwurf ausführen darf, der sich den Ball im Aus am robustesten erkämpft und Proteste des Gegners und manchmal auch des eigenen Trainers am gekonntesten ignoriert.
Auf der Strecke bleiben dabei viele Dinge, die Mannschaftssport eigentlich vermitteln soll: Ein arbeitsteiliges Zusammenwirken, das Beachten eines Regelwerks, das Einschätzen eigener Stärken und Schwächen, das gemeinsame Bewältigen verschiedener Spielsituationen und auch das Umgehen mit manchmal frustrierenden Niederlagen.
Man könnte das freilich als Burleske am Rande ohne gesellschaftliche Bedeutung einordnen. Aber eine solche Entwicklung fällt ja nicht vom Himmel. Sie ist Kollateralschaden einer größeren, seit Längerem anhaltenden Entwicklung: des Versuchs, Kinder von der Realität fernzuhalten.
Es steht in einer Linie mit dem Bestreben, Schulnoten und verschiedene Schulformen möglichst zu reduzieren und Naturwissenschaften den Gefühlen unterzuordnen. Wenn die gegebenen Regeln dazu führen, dass es bessere und schlechtere Teilnehmer gibt, dann darf das nicht sein und man muss eben die Regeln ändern. Wenn wirtschaftlicher und beruflicher Erfolg als sekundär oder gar misstrauenerregend angesehen wird, dann ist sportlicher Erfolg auch dubios.
Und wenn man Kindern von klein auf beibringt, dass jeder der Beste in allem ist, dann muss man sich nicht wundern, wenn sie später Ungleichheit nicht als Resultat der Unterschiedlichkeit der Menschen, sondern als Folge von Verschwörungen und Diskriminierung wahrnehmen.
Diese muss dann ein starker Staat beseitigen, der idealerweise jeden Aspekt unseres Lebens so gestaltet, wie man selbst es sich vorstellt, und uns unbequeme Dinge wie Eigenverantwortung und Selbstbestimmung abnimmt.
Artikelbild: ChatGPT